Neues vom BGH zur 130%-Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof hat nun endlich zu der Frage Stellung genommen, wann bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur in dem Fall, in welchem die Reparaturkosten zwischen 100% und 130% des Wiederbeschaffungswertes betragen, die vollen Reparaturkosten fällig sind.
Vom BGH wurde bereits der Fall entschieden, dass bei nicht durchgeführter Reparatur und Abrechnung auf Gutachtenbasis in einem solchen Fall der Differenzbetrag zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und tatsächlichen Reparaturkosten erst nach sechs Monaten zahlbar sei, weil der Geschädigte durch weitere Nutzung für diesen Zeitraum sein Integritätsinteresse an dem Fahrzeug bekunden müsse.

Begründet wurde diese Rechtsauffassung vom obersten Zivilgericht damit, dass ein Geschädigter nur dann solche Schadenspositionen erhalte, wenn sich der Grund für Ihre Zuerkennung als ausreichend beständig erweise.

Der BGH lässt insoweit allerdings nicht den Rückschluss zu, dass ein solcher Differenzbetrag der Schadensleistung erst nach sechs Monaten fällig werden würde, wenn tatsächlich und fachgerecht repariert wurde. In diesem Zusammenhang wird das sogenannte Integritätsinteresse mit dem nachhaltigen Interesse an der Weiternutzung des Fahrzeuges definiert, das vom Geschädigten zum Ausdruck gebracht werden muss. Der BGH will die von ihm geforderte Sechs-Monatsfrist nicht als weitere Anspruchsvoraussetzung für die Schadenregulierung verstanden wissen, sondern diese Frist habe lediglich beweismäßige Bedeutung. Wenn nämlich das beschädigte Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter genutzt werde, so sei dies normalerweise ein ausreichendes Anzeichen dafür, dass das Integritätsinteresse des Geschädigten vorliege. Es wird ausdrücklich als unzumutbar bezeichnet, wenn eine Regulierungspraxis entstehen würde, bei welcher trotz ordnungsgemäßer Reparatur des Fahrzeuges der Geschädigte bis zu sechs Monate auf die Zahlung eines erheblichen Teils der Schadenssumme warten müsste. Der Geschädigte habe hier nicht einmal die Möglichkeit, den regulierenden Versicherer in Verzug zu setzen, würde man dieses Merkmal als Anspruchsvoraussetzung auffassen. Dies liefe darauf hinaus, dass der Geschädigte ohne entsprechende Erstattungspflicht die Vorfinanzierung seines Schadens durchführen müsste, was mit dem Schadensrecht nicht vereinbar ist. Die vollständige Wiederherstellung des beschädigten Kraftfahrzeugs belege ausreichend den Willen zur Weiternutzung (für mindestens sechs Monate). Die regulierende Haftpflichtversicherung könne sich dadurch schützen, dass sie den Betrag, der über dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) liegt, unter Rückforderungsvorbehalt zahlt. Werde also tatsächlich repariert und liegen die Reparaturkosten oberhalb dieser Grenze bis hin zu 130% des Wiederbeschaffungswertes, so kann die Versicherung den sich daraus ergebenden Differenzbetrag unter Rückforderungsvorbehalt zahlen.

BGH, Beschluss vom 18. November 2008, VI ZB 22/08