Obergerichtliche Rechtsprechung wendet im Ehegattenunterhalt nicht mehr die Anrechnungsmethode an, sondern die Differenzmethode

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juni 2001 (XII ZR 343/99) entschieden, dass bei der Berechnung nachehelichen Unterhalts nicht mehr nach der Anrechnungsmethode, sondern nach der Differenzmethode vorgegangen wird.

Nach der Anrechnungsmethode wurde eine nach Scheidung aufgenommene Berufstätigkeit nicht als die ehelichen Verhältnisse prägend angesehen, so dass die Einkünfte hieraus bedarfsmindernd auf den Unterhaltsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen angerechnet wurden. Darüber hinaus prägte danach lediglich das Einkommen des erwerbstätigen Ehegatten die ehelichen Verhältnisse.

Verdiente ein Ehegatte z.B. 1500 EUR und nahm der andere Ehegatte nach der Scheidung eine Berufstätigkeit für 500 EUR auf, so errechnete sich nach der Anrechnungsmethode ein Unterhaltsbedarf pro Ehegatten von 750 EUR (= Hälfte der Einkünfte des während der Ehe verdienenden Ehegatten), auf den das Einkommen des nach der Scheidung wieder arbeitenden Ehegatten bedarfsmindernd angerechnet wurde, so dass dieser nur 250 EUR erhielt.
Nach der Differenzmethode errechnet sich bei gleichem Sachverhalt ein Unterhaltsbedarf von 1000 EUR pro Ehegatte (1500 EUR + 500 EUR geteilt durch 2). Der nach der Scheidung wieder berufstätige, geringer verdienende  Ehegatte hat gegen den anderen einen Unterhaltsanspruch in Höhe der Hälfte der Differenz seines Einkommens zu dem des höher verdienenden Ehegatten, was  500 EUR entspricht.

Der BGH bezeichnet die neue Berufstätigkeit des vorher nicht erwerbstätigen Ehegatten als ein “Surrogat” (= Ersatz) der  bisher geleisteten Haushaltsführung und Kinderbetreuung, deren Wert sich in dem daraus erzielten oder erzielbaren Einkommen widerspiegelt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 05.02.2002 (1 BvR 105/95) ausgeführt, dass die früher dominierende Hausfrauenehe einem nunmehr vorherrschenden Ehebild gewichen ist, das auf auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzt. Der zeitweilige Verzicht eines Ehegatten auf Erwerbstätigkeit zwecks Übernahme der Kindererziehung präge daher die ehelichen Verhältnisse ebenso, wie die vorher ausgeübte Berufstätigkeit und die danach wieder aufgenommene oder angestrebte Erwerbstätigkeit.